Straßenbahn in Frankreich

Urbane Logistik von morgen

Die Menge an Paketsendungen in Deutschland steigt massiv an. Tagtäglich werden mehr als 60 Millionen Briefe und Kataloge sowie gut 13 Millionen Pakete zugestellt, davon rund 10 Millionen Pakete an Privathaushalte. Der Online-Handel als Treiber ist für viele Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Umkehr des Trends ist nicht zu erwarten. Um die Paketzustellung nachhaltiger zu machen, denken Experten darüber nach, den öffentlichen Nahverkehr einzubinden. Erste Pläne gibt es bereits:

„Da wird viel Luft durch die Gegend gefahren“, meint Forscher Michael Frey vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zu den am späten Vormittag oder Abends oftmals relativ spärlich gefüllten Straßenbahnen, S-Bahnen und Regionalzügen. Aus seiner Sicht sollten diese freien Transportkapazitäten besser genutzt werden. Etwa für die Beförderung von Paketen. Dann könnten die Straßen entlastet werden, weniger Paket-Transporter müssten in die Innenstädte fahren und es würde deutlich weniger CO2 als aktuell ausgestoßen werden, so Michael Frey. 

Frey arbeitet im Forschungsprojekt „LogIKTram“, das vor einem Jahr begann und nach Plan noch bis 2024 läuft: Ein Containerfahrzeug soll hierbei automatisiert an einer Haltestelle am Stadtrand in die Karlsruher Straßenbahn einsteigen und im Zentrum wieder aussteigen. Dort wartet hierauf dann ein Zusteller, der die Fracht ausliefert oder in eine Paketstation einsortiert. 

Dieses Projekt steht beispielhaft für die Ambitionen der Paketbranche, die dank des Booms im Online-Handel seit Jahren auf Wachstum steht. Dabei drängt sich immer mehr die Frage auf, wie der stetig größer werdende Warenstrom umweltschonend in die Innenstädte gelangt.

Schon jetzt setzt die Branche verstärkt auf Elektrotransporter und Lastenräder. Nun rückt der Nahverkehr in den Fokus, um Emissionen und die verkehrlichen Belastungen zu reduzieren. 

Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) untersuchte in einer Studie, wie sich der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) für die Paketzustellung nutzen lässt. Zentrales Ergebnis dieser Studie, die mithilfe eines Expertenpanels aus KEP- und ÖPNV-Unternehmen geführt wurde: „Es gibt nicht die eine Lösung für alle Herausforderungen auf der letzten Meile“, betont BIEK-Vorsitzender Marten Bosselmann. Die Nutzung des ÖPNV kann aber ein Bestandteil vielfältiger Maßnahmen werden. Die Politik müsse dafür allerdings zunächst den notwendigen rechtlichen und auch finanziellen Rahmen schaffen. Der Gütertransport müsse ein zulässiges sowie wirtschaftlich tragfähiges Tätigkeitsfeld für die ÖPNV-Betreiber werden. 

„Das Potenzial ist groß, aber es sind noch viele offene Fragen zu klären“, meint dazu auch Studien-Co-Autor Ralf Bogdanski von der TH Nürnberg. Die Bahnen seien immer unterwegs, hätten zu bestimmten Uhrzeiten aber nur sehr wenige Fahrgäste. Eine Zusatzbelegung mit Paketen sollte grundsätzlich möglich sein. Bis zu 100 Kilometer könnten Pakete auf diese Art und Weise klimaschonend befördert werden. Also Strecken, auf denen sonst Transporter mit Verbrenner fahren. „Der Pakettransport im Nahverkehr ist kein Allheilmittel für logistische Probleme, aber er kann ein wertvoller Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit sein“, sagt Bogdanski.

Besonders erfreut zeigt sich Bogdanski darüber, dass alle befragten Experten aus den KEP- und ÖPNV-Unternehmen generell bereit dazu seien, den Transport im ÖPNV im Mischbetrieb zu erproben. Und ebenso die Dachorganisation der Nahverkehrs-Unternehmen, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), ist „grundsätzlich offen für Konzepte, die den Stand der Technik abbilden und auch logistische und finanzielle fragen klären“, wie ein Sprecher erklärt. Um den Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen zu verringern, sei die Verlagerung von Gütern auf klimafreundliche Verkehrsmittel notwendig. Dafür sollte man „auch auf den ersten Blick ungewöhnliche Ideen durchaus diskutieren und abwägen“. Der Verband stellte aber auch klar, dass beim Ein- und Ausladen von Paketen „die Kunden nicht behindert und die Leistungsfähigkeit der Strecken durch Haltezeitverlängerungen nicht beeinträchtigt wird“. Zudem müsste auch gesetzlich geregelt werden, dass der Gütertransport in Straßenbahnen und Nahverkehrszügen möglich sei. Diese gesetzliche Regelung fordert auch der BIEK ein.

2019 testete der Frankfurter Logistik-Professor Kai-Oliver Schocke gemeinsam mit seinem Team und zusammen mit Hermes die Nutzung einer Straßenbahn als reine Güterbahn für den Pakettransport in Frankfurt. In einer Simulation kamen sie zu dem Schluss, dass der Einsatz von gut ausgebauten Paket-Trams gut 15 Prozent günstiger wäre als Transporter auf der Straße. Einen Mischbetrieb aus Paketen und Fahrgästen in derselben Bahn sah Schocke eher skeptisch. Aus seiner Sicht müsste ein Logistikmitarbeiter dabei sein, was teuer wäre. 

Bisher werden Pakete in Deutschland noch nicht im Regelbetrieb im öffentlichen Nahverkehr transportiert. Die Post testet in Schwerin die Nutzung von Straßenbahnen, um Packstationen zu füllen, die an Haltestellen stehen. Die Nutzung des Nahverkehrs sieht man „grundsätzlich als zusätzliche Möglichkeit, Pakete klimafreundlich zum Empfänger zu bringen und den Straßenverkehr zu entlasten“, so eine Firmensprecherin. Ähnlich äußerte man sich bei DPD.

Eine Umkehr des Online-Handel-Trends ist wohl eher nicht zu erwarten. Die urbane Logistik von morgen sollte daher zuverlässig, effizient sowie ökologisch und sozial nachhaltig sein. Denn von den 83 Millionen Menschen in Deutschland leben circa 60 Prozent in Städten. Es sei auch klar, dass das Paketvolumen weiter Jahr für Jahr stark wachsen wird, meint zudem Professor Boganski. „Der Pakettransport im Nahverkehr ist eine sinnvolle Ergänzung zu einem nachhaltigen Verkehr – eigentlich können wir uns gar nicht erlauben, dieses Potenzial ungenutzt zu lassen.“ Einen ersten Regelbetrieb sieht Bogdanski in gut fünf bis zehn Jahren.

Beim Ausbau ihres Netzes von Paket-Abholautomaten setzt DHL nun verstärkt auf Standorte an Bahnhöfen. In einer Kooperation mit der Deutschen Bahn sollen 800 Packstationen nahe der Gleise installiert werden. Der Großteil davon soll schon in diesem Jahr einsatzbereit sein. Ein erster der neuen Automaten ging kürzlich am Leipziger Hauptbahnhof in Betrieb. Derzeit hat DHL rund 100 Packstationen an Bahnhöfen, diese Zusammenarbeit wird nun intensiviert. In einem Teil der neuen Stationen können Einzelhändler ihre Pakete deponieren, damit etwa Pendler diese auf ihrem Heimweg mitnehmen können. Mit dieser Funktion sollen Bahnhöfe auch generell aufgewertet werden. Die dortigen Ladengeschäfte können so mit permanenten Abholmöglichkeiten punkten. Was Paketautomaten angeht, hat DHL einen großen Vorsprung vor der Konkurrenz, die eher zaghaft auf diese Stationen setzt. Derzeit hat DHL bundesweit rund 9.000 Packstationen, die auch an Tankstellen, Supermärkten, Wohnblocks sowie auf Firmengeländen zu finden sind. Parallel forciert DHL den Automaten-Ausbau. Bis Ende 2022 soll die Zahl der Packstationen bei etwa 11.500 liegen und Ende nächsten Jahres bei 15.000.

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